Galerie – Zeitungsbericht
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Regenbogensarg – Foto: und Artikel: Heike Linde-Lembke – Hamburger Abendblatt vom 22. November 2014
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“Benina malt ihrer Mutter zum Abschied einen Regenbogen auf den Sarg”
Das Bemalen von Särgen oder die Baumbestattung „Tree of Life“ setzen neue Akzente im starren Bestattungs-Zeremoniell. Das Abendblatt stellt neue Bestattungsformen vor.
Norderstedt. Grünes Gras rankt sich an den Seiten des Sargs entlang. Dazwischen blühen Blumen, ein Regenbogen zieht sich vom Sarg-Boden quer über den Deckel, und zwei Katzen scheinen Wache zu halten. Benina Becker bemalt den Sarg ihrer Mutter Susanne Becker. Sie starb mit nur 48 Jahren an Krebs. Ihre 13-jährige Tochter fand mit ihrem Vater Rüdiger Becker mit dem Bemalen des Sargs aus hellem Holz eine besondere Art der Trauerarbeit.
„Die Katzen heißen Miezi und Messie, und ich finde es schön, wenn sie meine Mutter auf dem Sarg begleiten“, sagt Benina, nimmt den Pinsel und malt den Regenbogen aus. „Benina geht sehr offen mit dem Tod ihrer Mutter um, und das Bemalen des Sargs hilft ihr. Ich merke, wie sie sich dabei entspannt“, sagt Rüdiger Becker.
Er hat seine Ehefrau auf ihrem langen Leidensweg begleitet und ist sich sicher, dass auch sie das Bemalen des Sargs durch ihre Tochter, einer Freundin ihrer Tochter und ihren Ehemann mag. „Bei einigen Menschen bin ich allerdings auf Unverständnis gestoßen, aber Hauptsache, Benina hilft es, von ihrer Mutter Abschied zu nehmen“, sagt Rüdiger Becker.
Der Norderstedter Musiker steht im Maler-Hemd, mit Pinseln und Farbtöpfen in den Händen, in der Trauerhalle des Norderstedter Bestattungsinstituts Wulff & Sohn. Becker will seinen Abschiedsweg von seiner Ehefrau, die am Gymnasium Harksheide in Norderstedt unterrichtete, auch öffentlich zeigen, um anderen Menschen Mut zu machen, neue Wege der Trauerarbeit zu gehen. „Für uns war der Tod nie ein Tabu, denn das Sterben gehört zum Leben“, sagt Becker, der in Norderstedt viele Chöre leitete und auch im sozialen Bereich tätig ist.
Neue Wege beschreitet auch Sönke Wulff vom Bestattungsinstitut an der Segeberger Chaussee in Norderstedt. Das Unternehmen, das im vorigen Jahr seinen 100. Geburtstag feierte und auch öffentliche Theateraufführungen, Lesungen und Konzerte in der Trauerhalle veranstaltet, arrangierte die Sarg-Bemalung mit der Norderstedter Künstlerin Katharina Hansen-Gluschitz.
„Es kommt allerdings selten vor, dass eine Familie den Sarg eines Verstorbenen bemalen möchte, wenn sie es aber machen, sind sie immer froh, denn es hilft sehr“, sagt Hansen-Gluschitz. Mit den Angehörigen sucht sie die Motive aus und steht ihnen beim Bemalen des Sarges zur Seite. „Wir haben überlegt, was meine Frau gern auf dem Sarg hätte, was ihre Lebensstationen widerspiegelt“, sagt Rüdiger Becker.
Galt der Tod, galten Beerdigung und Trauerfeier vor Jahren noch als Tabu, so wird der Tod eines Menschen immer mehr als Teil des Lebens akzeptiert. Dazu gehört auch, dass viele Hinterbliebene Alternativen zu starren Bestattungsformen suchen. Kommunale und kirchliche Friedhöfe reagieren bereits und kreieren neue Grabfelder.
Stephan Jansing vom christlichen Friedhof in Garstedt entwickelte mit seinem Team beispielsweise die Baumgräber für Urnen-Bestattungen. Auf einem zur Mitte erhöhten und mit Steinen eingefasstem Rondeel wird ein Baum, beispielsweise eine Magnolie, gepflanzt. Die Urnen werden in der Runde angeordnet, und die Angehörigen können eine Vase mit Schnittblumen setzen. Das Ablegen von Kränzen und Aufstellen von Topfpflanzen ist allerdings nicht erlaubt. Die Pflege übernimmt die Friedhofsverwaltung. Mit dem Baumgräber-Rondeel folgt der Friedhof dem Trend, dass immer weniger Angehörige die Gräber pflegen können, aber einen Ort wünschen, um der Verstorbenen zu gedenken. 700 Menschen sterben pro Jahr in Norderstedt, 450 Tote werden auf den drei kommunalen Friedhöfen in Friedrichsgabe, einem Wald-Friedhof, Harksheide und Glashütte bestattet, 240 in Garstedt, andere außerhalb von Norderstedt.
„Die Friedhöfe haben zunehmend das Problem, dass sie zu viel Platz haben“, sagt Bestatter Wulff. Es gebe immer weniger Beerdigungen, die Feuerbestattungen betragen inzwischen 80Prozent. Urnengräber sind aber wesentlich kleiner als traditionelle Gräber. Hinzu käme der Trend, sich in einem Ruheforst wie bei Hartenholm oder einem Friedwald wie bei Kisdorf beisetzen zu lassen.
„Jede zehnte Urne wird bereits in einem Wald beigesetzt“, sagt Wulff. Die Verwaltung des Ohlsdorfer Friedhofs in Hamburg würde bereits andere Nutzungsformen diskutieren.
Ein Grund seien die hohen Friedhofsgebühren, ein zweiter sei der Wunsch nach Naturverbundenheit auch über den Tod hinaus. Große alte Familiengräber würden ablaufen und fallen an die Friedhöfe zurück. „Auf den Friedhöfen findet zurzeit ein großer Wandel statt, die Grabstellen werden immer kleiner, und neue Grabformen werden entwickelt“, sagt Wulff.
Eine ganz neue Art sind die Baum-Bestattungen, die vom Unternehmen „Tree of Life“ angeboten werden und von jedem Bestatter organisiert werden können. „Diese Form umgeht ganz klar den Friedhofszwang, der in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben ist“, sagt Wulff, der auf Wunsch auch diese Bestattungsform durchführen wird.
Den Friedhofszwang umgehen auch Aschestreu-Wiesen, die auch in Schleswig-Holstein verboten sind. Es gibt jedoch je eine Wiese in der Südeifel und im Rhein-Sieg-Kreis. Luftbestattungen, bei denen die Asche aus einem fahrenden Ballon verstreut wird, können zwar in Deutschland starten, die Asche wird aber über Frankreich ausgestreut. Wer es ganz abgehoben mag, lässt seine Asche in den USA per Rakete in den Weltraum schießen.
Bei den Baumbestattungen kann die Urne mit der Asche des Verstorbenen im eigenen Garten beigesetzt werden. Die Urne geht direkt vom Krematorium zu Tree of Life in Holland. Dort wird die Urne geöffnet, ein Vorgang, der in Deutschland verboten ist. Die Asche wird mit Vitalerde und einem Baumsetzling vermengt, die Urne wird wieder verplombt.
Das ganze Prozedere geschieht unter notarieller Aufsicht und wird dokumentiert. Eine Spezialbaumschule betreut das Wachsen des Baumes bis zu zirka 1,20 Meter. Während dieser Zeit absorbiert der junge Baum die Asche vollständig.
So wird der Gedanke, dass der Verstorbene nach dem Tod neues Leben spendet, realisiert, vor allem, wenn der Baum nach einem halben Jahr wieder zurück zu den Angehörigen gebracht wird, die ihn mit allen Bestattungszeremonien im eigenen Garten einsetzen können. Die Kosten von etwa 1450 Euro entsprechen fast denen eines Grabfeldes auf einem Friedhof.
„Wenn diese Art der Bestattung von den Hinterbliebenen ausdrücklich gewünscht wird, werde ich das natürlich durchführen“, sagt Eggert Pohlmann vom Bestattungsinstitut Pohlmann an der Ulzburger Straße, der wie sein Kollege Wulff mit Katharina Hansen-Gluschitz das Bemalen von Särgen nach dem Motto „Malen zum Abschied“ anbietet. „Das kommt aber nur zirka einmal im Jahr vor“, sagt Pohlmann.
Der Bestatter vermutet, dass sich das Bestattungsgesetz in den nächsten fünf bis zehn Jahren drastisch ändern wird. „Das Bestattungsgesetz ist Ländersache, und die Stadt Bremen plant beispielsweise, dass die Asche von Verstorbenen auch außerhalb der Friedhöfe beigesetzt oder verstreut werden darf“, sagt Pohlmann.
Neuen Bestattungsformen ist auch René Bülow aufgeschlossen. Der Bestatter aus Norderstedts Ortsteil Glashütte und Henstedt-Ulzburg moniert vor allem die hohen Friedhofsgebühren. „Wenn alles bei Tree of Life legal ist, werde ich das sicher durchführen – auch, um die hohen Friedhofsgebühren zu umgehen“, sagt Bülow.
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